LHC Status: Run III


Vorwort

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"Nicht nur die kleinsten Teilchen sollten geteilt werden..." WeeShare

LHC-Facts erlaubt Ihnen einen detaillierten Einblick in die komplexeste Maschine der Welt - dem Large Hadron Collider (LHC). Im Newsbereich finden Sie die aktuellsten Meldungen über die Entwicklung des Beschleunigers und die neusten physikalischen Erkenntnisse. Durch die integrierten Vistarseiten, welche ca. alle 10 Sek. aktualisiert werden, können Sie den LHC Betrieb live mitverfolgen. Ebenfalls im Newsbereich eingebunden ist das Mitteilungssystem "LHC-Announcer", eine elektronische Stimme, welche die Wissenschaftler im Kontrollraum jederzeit über wichtige Änderungen der LHC-Parameter informiert. Die neusten Meldungen können Sie auch über verfolgen.
LHC Status (live)
Was läuft gerade beim LHC? Typische LHC-Vistarseite. (Reload ca. 10 Sek.)

Einleitung

Die Forschungsschwerpunkte der Teilchenphysik beschäftigen sich mit der Erforschung grundlegender physikalischer Gesetze, die über die elementaren Bausteine der Materie und der Struktur von Raum und Zeit herrschen. Die Inbetriebnahme des LHC, dem Large Hadron Collider, eines der grössten und globalen wissenschaftlichen Projekte aller Zeiten, markiert einen Wendepunkt in der Teilchenphysik. Proton-Proton und Bleiionen-Zusammenstösse mit einer noch nie dagewesenen Energie könnten in den kommenden Jahren ganz neue Einblicke eröffnen und möglicherweise einige der fundamentalen Fragen der modernen Physik beantworten, wie z.B. den Ursprung der Materie, die einheitliche Behandlung der fundamentalen Kräfte, neue Formen der Materie und zusätzliche Dimensionen von Raum und Zeit.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Wissenschaftler der Meinung, die meisten fundamentalen Prinzipien der Natur verstanden zu haben. Jedoch beginnend mit Einsteins Relativitätstheorie, welche die Newton'sche Mechanik ersetzte, wurde den Wissenschaftlern klar, dass ihr Wissen weit von jeglicher Vollständigkeit entfernt war. Das spezielle Interesse galt dem wachsenden Bereich der Quantenmechanik, die die Grundlagen der Physik vollständig veränderte.
Mit Beginn der ersten Kollisionsexperimente fand man heraus, dass Atome bei weitem nicht als elementare Bausteine der Natur verstanden werden konnten, sondern dass sie aus noch kleineren Bestandteilen bestehen. Ein ganzer Teilchen-Zoo wurde durch die Kollisionsphysik entdeckt. Die Gesetzmässigkeiten dieser Teilchen blieb den Physikern aber lange Zeit ein Rätsel.
Mit der Quark-Theorie von M. Gell-Mann und G. Zweig konnten nicht nur die Gesetzmässigkeiten in diesem Teilchen-Zoo beschrieben werden, sondern auch sehr viele bis dato unbekannte Teilchen vorhergesagt werden, welche in späteren Beschleunigerexperimenten nachgewiesen werden konnten. Seit nunmehr über 30 Jahren ist dadurch schrittweise eine Theorie entstanden, die auf den Gesetzen der speziellen Relativitätstheorie und der Quantentheorie basiert, und heute als das "Standardmodell der Teilchen und Wechselwirkungen" bezeichnet wird.

Doch obwohl das Standardmodell (SM) nahezu alle bisherigen teilchenphysikalischen Beobachtungen erklären kann, reicht es nicht aus, um unsere Welt vollständig zu beschreiben. So ist es weder in der Lage die gravitative Wechselwirkung zu beschreiben, noch die drei anderen Grundkräfte (starke Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung, elektromagnetische Kraft) in einer einzigen Theorie zu vereinen. Ausserdem folgen bestimmte freie Parameter nicht aus der Theorie selbst, sondern müssen experimentell bestimmt werden.
Ein weiteres Problem des Standardmodells ist, dass die Teilchen, welche die Theorie bisher vorhergesagt hat, eigentlich keine Masse haben dürften. Dies deckt sich aber in keinster Weise mit der Beobachtung. Alleine die Masse des Top-Quarks, entspricht fast derjenigen eines Goldatoms. Dieses schwerwiegende Problem könnte durch den Higgs-Mechanismus gelöst werden, aus dem ein weiteres hypothetisches Teilchen hervorgeht - das Higgs-Boson. Dessen genaue Masse geht allerdings nicht aus der Theorie hervor, sondern entspricht ebenfalls einem freien Parameter, welcher experimentell gemessen werden muss. Im Jahr 2012 konnte erstmals das Higgsteilchen bei einer Masse von 126 GeV mit dem LHC nachgewiesen werden.

Heute existieren viele alternative Modelle, die auf dem mathematischen Fundament des Standardmodells basieren, es aber derart erweitern, dass dadurch eine Vereinigung der drei Grundkräfte möglich wird (Grand Unification Theory). Andere Modelle unterscheiden sich, durch die Annahme zusätzlicher Dimensionen fundamental von der Mathematik des Standardmodells, so z. B. die Stringtheorie. Doch welches Modell beschreibt die Natur am besten?

Um diese Frage zu beantworten, müssen aus einer Theorie Vorhersagen hervorgehen, welche experimentell gemessen werden können. Das Problem - viele Theorien der heutigen Teilchenphysik liefern Vorhersagen, die ausserhalb des Energiebereichs bisheriger Teilchenbeschleuniger liegen. Mit dem LHC wurde ein Beschleuniger entwickelt, mit dem die Physiker Zugang zu diesem unbekannten Energiebereich erhalten und dadurch viele Theorien bestätigt oder widerlegt werden könnten.

Was immer mit dem LHC entdeckt werden wird, die Teilchenphysik hält noch viele Überraschungen und neue Fragen bereit. Diese Erkenntnisse werden auch in das noch junge Gebiet der Astroteilchenphysik miteinfliessen. Die mikroskopische Welt der Moleküle, Atome und Quarks trifft auf die makroskopische Welt der Planeten, Sterne und Galaxien. Der Kreis ist dabei sich zu schliessen.


"Das Unverständlichste am Universum ist im Grunde, dass wir es verstehen können." Albert Einstein


Was bisher geschah...

• Vor 13.8 Milliarden Jahren, Ort: Überall
Ereignis: Urknall

Entstehung von Raum & Zeit

• 10-43 Sek. nach Urknall, Ort: Überall
Ereignis: Planck-GUT-Ära

Die 4 Grundkräfte, elektromagnetische Kraft, starke Kraft, schwache Kraft und die Gravitation liegen als fundamentale Kraft vor, der Urkraft. In der folgenden GUT-Ära (Grand Unified Theories) trennt sich die Urkraft in die Gravitation und in die 3 übrigen Kräfte auf.


Aufspaltung der Kräfte unterhalb von 1016 GeV.


• 10-35 bis 10-32 Sek. nach Urknall, Ort: Überall
Ereignis: Inflation

Überlichtschnelle Ausdehnung des Raumes um den Faktor 1050.

• 10-30 Sek. nach Urknall, Ort: Überall
Ereignis: Baryogenese

Entstehung erster Quarks und Antiquarks. Das extrem heisse Universum liegt zu diesem Zeitpunkt als Quark-Gluonen-Plasma vor.

• 10-6 Sek. nach Urknall, Ort: Überall
Ereignis: Primordiale Nukleosynthese

Das Universum kühlt weiter ab und bildet aus den Quarks erste Protonen und Neutronen. Davon zerstrahlt der grösste Teil mit der Antimaterie. Das Verhältnis Materie/Antimaterie fällt zugunsten der Materie aus. Die Gründe für dieses Ungleichgewicht sind Gegenstand aktueller Forschung.

• 10 Sek. nach Urknall, Ort: Überall
Ereignis: Kernfusion

Vereinigung von Protonen und Neutronen durch Kernfusion zu ersten Deuterium-Atomkernen.

• 3 Min. nach Urknall, Ort: Überall
Ereignis: Neutronenzerfall

Die Temperatur fällt weiter und die Kernfusion kommt zum erliegen. Die übriggebliebenen, freien Neutronen zerfallen in Protonen und Elektronen. Diese bilden leichte Elemente wie Helium, Lithium und Beryllium.

• 400000 Jahre nach Urknall, Ort: Überall
Ereignis: Rekombinationsepoche

Das Universum hat sich soweit abgekühlt, dass immer stabilere Atome entstehen. Die Dichte nimmt weiter ab und das Universum wird durchsichtig.

• 200 - 550 Mio. Jahre nach Urknall, Ort: Lokal
Ereignis: Sternentstehung/Galaxienbildung

Es bilden sich Gaswolken die sich durch Gravitation immer mehr verdichten und die ersten Sternenfeuer entzünden. Diese gruppieren sich zu ersten Galaxien, darunter auch unsere Milchstrasse deren Alter auf 13.6 Mia. Jahren geschätzt wird.
Nach heutigen Beobachtungen der Rotationsgeschwindigkeiten von Galaxien und der Berechnung ihrer Massen, müssten die Galaxien eigentlich auseinander driften. Eine mögliche Erklärung wäre die Masse von Teilchen welche nur sehr schwach wechselwirken und nur indirekt beobachtbar wären - sog. dunkle Materie.


Links: Erwartete Galaxienrotation. Rechts: Beobachtete Galaxienrotation. Quelle: Wikipedia

• 9.2 Mrd. Jahre nach Urknall, Ort: Milchstrasse (Orionarm)
Ereignis: Entstehung eines Sonnensystems mit 8 Planeten.

In der protoplanetaren Staubscheibe kommt es zu immer grösseren Verklumpungen von Staubteilchen (Koagulation) welche Planetesimalen bilden, den Bausteinen der Planeten. Diese kilometergrossen Gebilde besitzen genug Masse, um sich durch ihre Gravitation mit anderen Planetesimalen zu grösseren Objekten zu vereinigen.

• 10.5 Mrd. Jahre nach Urknall, Ort: 3. Planet (Erde)
Ereignis: Entstehung von ersten einfachen Lebensformen.


• 2.5 Mio. Jahre vor Christus, Ort: 3. Planet (Erde)
Ereignis: Menschenaffen (Hominidae) entwickeln erste Werkzeuge aus Steinen und Knochen.



Menschenaffen benutzen erste primitive Werkzeuge. Quelle: Turner Entertainment Co. / 2001 - A Space Odyssey


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• 7. November, 2007 Jahre nach Christus, Ort: Genf (Schweiz), CERN, Large Hadron Collider, geplante Energie: 7 TeV
Ereignis: Ringschliessung

In 90 Meter Tiefe, im Sektor 1-2 des 27 Kilometer langen LHC-Tunnels, werden nach über 20 Jahren Planungs- und Bauzeit die letzten beiden Magnete miteinander verbunden. Schutzhelme mit dunklem Visier schützen die Techniker vor dem grellen, blauweissen Licht des Schweissbogens mit dem die letzte von 10170 Verbindungsstellen zwischen den Magneten geschlossen wird. Die Magnetspulen der Ablenkmagnete und die Verbindungen dazwischen bestehen aus einer Niob-Titan Legierung die bei einer Sprungtemperatur von 9.2 K (-264 °C) supraleitend wird. Da mit noch tieferen Temperaturen noch stärkere Magnetfelder möglich sind, liegt die Arbeitstemperatur der LHC-Magnete bei 1.9 K (-271.3 °C). Die supraleitenden Verbindungen sind mit einem Kupferstabilisator umgeben, der einen Teil des Stromes ableiten soll, falls es zu einem Verlust der supraleitenden Eigenschaften (Quench) kommen sollte.

Zu diesem Zeitpunkt ahnt niemand, dass zwei Sektoren weiter, in rund 10 Kilometer Entfernung, eine einzelne Verbindungsstelle diese Anforderungen nicht erfüllen wird.


Letzte Arbeiten im LHC Tunnel. Quelle: CERN

• 10. September 2008
Ereignis: First Beam

Im CERN Control Center laufen die letzten Pretests zum ersten Ringumlauf mit Protonen. Von hier aus werden die Systeme des Beschleuigers überwacht und gesteuert. Die Tunnelsysteme wurden schon Tage vorher versiegelt. Während dem Betrieb ist der Zutritt aus Sicherheitsgründen verboten.

Vorbeschleunigung (Cycling):
Aus einer kleinen Gasflasche strömen Wasserstoffatome in einen silbernen Zylinder, das Duoplasmatron. Seine Aufgabe besteht darin, die Elektronen der Wasserstoffatome zu entfernen. Übrig bleiben positiv geladene Protonen, die mit 100 Mia. Teilchen ein Paket (Bunch) bilden. Elektromagnetische Wechselfelder in vier Vorbeschleunigern (LINAC2, PSB, PS, SPS) beschleunigen diese Teilchenpakete auf immer grössere Geschwindigkeiten. Im letzten Vorbeschleuniger SPS (Super Proton Synchrotron) erreichen die Protonen 99.99978% der Lichtgeschwindigkeit bzw. eine Energie von 0.45 Teraelektronenvolt (TeV). Bei dieser Energie werden die Teilchen aus dem SPS in entgegengesetzten Richtungen ausgekoppelt und über die rund 3 km langen Tranferslinien Tl-2 und Tl-8) zum LHC geleitet.
Sobald die LHC Magnete ebenfalls auf 0.45 TeV hochgefahren sind, wird ein Protonenpaket in den LHC inijeziert und nach etwa 3 km durch eine Blende gestoppt. Die Flugbahn der Teilchen wird analysiert und falls nötig durch eine neue Konfiguration der Ablenkmagnete korrigiert. Danach erfolgt die nächste Injektion welche nach 6 km gestoppt wird. Der Protonenstrahl wird so schrittweise durch den Ring geleitet.

Um 10:28 Uhr gelingt der erste volle Umlauf.



Der lange Weg zur Teilchenkollision... Quelle: CERN


CERN Komplex Quelle: CERN


CERN Control Center (CCC) nach dem ersten Umlauf Quelle: CERN

• 19. September 2008
Ereignis: Zwischenfall

Nach dem erfolgreichen Start vor 9 Tagen hat der Beschleuniger noch einen langen Weg bis zu den ersten Kollisionen vor sich. Hunderte Systeme müssen zuvor getestet werden, unter anderem das Hochfahren der Magnete im Sektor 3-4.
Um 11:18:36 Uhr kommt es in diesem Sektor zu einem Quench zwischen einem Dipol- und einem Quadrupolmagneten. Durch eine schlecht verlötete Stelle kann der Kupferstabilisator den Strom nicht genügend ableiten. Die Verbindungsstelle erwärmt sich und verdampft, worauf sich dazwischen ein Lichtbogen bildet der die Heliumverkleidung punktiert. Es kommt zu einer schlagartigen Verdampfung des Heliums. Durch diese Explosion werden mehrere der tonnenschweren Magnete aus ihrer Verankerung gerissen. Insgesamt werden 53 Magnete über eine Strecke von mehreren hundert Metern beschädigt.
Für die Reparatur muss der 3.3 km lange Sektor wieder auf Raumtemperatur gebracht werden. Mehrere der 15 Meter langen Magnete müssen komplett ausgebaut und an die Oberfläche gebracht werden. Dort werden sie gereinigt, repariert und getestet. Die Ausfallphase wird zudem genutzt um ein neues Quench Protection System zu installieren. Tausende Sensoren messen die Widerstände zwischen den Magneten um weitere Zwischenfälle dieser Art zu verhindern.

Ausfallzeit: 14 Monate
Kosten: 27 Mio. Euro



Beschädigte Magnete nach dem Zwischenfall. Quelle: CERN

• 20. November 2009
Ereignis: Zweiter Anlauf

Nach über einem Jahr Ausfall zirkulieren wieder Protonen im Speicherring. Die geplante Energie von 7 TeV kann jedoch vorzeitig nicht erreicht werden, da Untersuchungen während dem Ausfall ergeben haben, dass einige der Magnetverbindungen nicht mehr als 3.5 TeV, max. 4 TeV aushalten.

• 29. November 2009
Ereignis: Weltrekord

Um 21:55 Uhr werden Protonen erstmals auf 1.08 TeV beschleunigt. Damit konnte ein neuer Weltrekord aufgestellt und der Teilchenbeschleuniger Tevatron in den USA um 0.1 TeV übertroffen werden. Der LHC ist damit der leistungsstärkste Beschleuniger der Welt.

• 30. März 2010
Ereignis: Erste Teilchenkollisionen bei 3.5 TeV pro Strahl.

• 10. November 2010
Ereignis: Pb-Pb Kolissionen
Anstelle von Protonen werden erstmals Bleikerne injiziert und zur Kollision gebracht. Das dabei enstehende Quark-Gluon Plasma soll Aufschlüsse über den frühen Zustand des Universums geben. Der Alice Detektor wurde speziell für diese Aufgabe konzipiert.



Blei-Blei Kollision im ALICE Detektor. Quelle: CERN

• 13. Dezember 2011
Ereignis: Higgs in Sicht?
Die Detektoren ATLAS und CMS sehen erste Anzeichen eines Signals bei 125 GeV.

• 5. April 2012
Ereignis: Erhöhung der Strahlenergie von 3.5 auf 4.0 TeV.


• 4. Juli 2012
Ereignis: Higgs Entdeckung
ATLAS und CMS weisen ein deutliches Signal bei 125-126 GeV nach.
Die gemessenen Zerfallskanäle stimmen mit den Vorhersagen des Standardmodells für ein Higgsteilchen in diesem Energiebereich überein. Ein Jahr später erhalten Peter Higgs und François Englert den Nobelpreis in Physik für die Entwicklung des Higgs-Mechanismus.



Higgssignaturen im CMS und ATLAS Detektor Quelle: CERN

• 25. April 2013
Ereignis: CP-Verletzung
Durch LHCb gelingt der Nachweis einer CP-Verletzung beim Zerfall eines Teilchens in Kaonen und Pionen.
Solche Verletzungen könnten erklären weshalb sich beim Urknall Materie und Antimaterie nicht vollständig annihiliert haben und ein Materieüberschuss übrigblieb.

• 16. Februar 2013
Ereignis: LS1 Phase

Die letzten Teilchenstrahlen werden im Beam Dump entsorgt und der Beschleuniger auf seine Aufrüstung auf 7.0 TeV vorbereitet. In dieser ersten langen Shutdowphase (LS1 - Long shutdown 1) werden die sämtliche 10170 Verbindungen zwischen den Magneten getestet und falls nötig ersetzt. Zusätzlich leiten 27000 Nebenwiderstände im Falle eines Quenchs den Grossteil des Stromes ab. Der Zeitraum wird zudem genutzt um die Detektoren und die Vorbeschleuniger aufzurüsten.

• 20. Januar 2015
Ereignis: LHC Restart

Die Umbauphase im Tunnel ist soweit abgeschlossen. Nun geht es darum den Beschleuniger schrittweise wieder in Betrieb zu nehmen. Die supraleitenden Magnete sind zwar bis auf 7.0 TeV ausgelegt, aber mit steigender Energie nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass es zu einem Quench kommt. Um dem entgegenzuwirken werden die Magnete einem speziellen Training unterzogen. Die Stromstärke in der Spule wird dabei solange erhöht bis es zu einem Quench kommt. Dann wird der Stromfluss kontrolliert aus der Spule abgeleitet und der Prozess wiederholt. Die Magnetspule wird dadurch auf die hohe Stromstärke von 12000 Ampere konditioniert. Da ein solches Training für 7.0 TeV viel Zeit benötigt, startet der Beschleuniger dieses Jahr vorerst mit 6.5 TeV. Und hier gehts ... weiter.



Quench Training Quelle: CERN


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LHC & SUSY
Mit den Updates der Detektoren und der Erhöhung der Energie auf 6.5 TeV steht eine spannende Reise in physikalisches Neuland bevor. Eine Sensation wäre die Entdeckung eines supersymmetrischen Teilchens. Die Supersymmetrie (SUSY) vertauscht durch einen Mechanismus den Spin der Teilchen des Standardmodells. Dadurch erhalten die bisher bekannten Teilchen einen supersymmetrischen Partner. Durch einen Bruch in dieser Symmetrie besitzen die supersymmetrischen Teilchen jedoch höhere Massen als ihre Standardpartner. Mit dem neuen Energiebereich des LHC könnten diese Massen in Sichtweite geraten. SUSY kann gleich mehrere Probleme des Standardmodells lösen. Das Standardmodell beschreibt z.B. keine Teilchen welche die Eigenschaften von dunkler Materie besitzen. Mit dem Neutralino als leichtestes, supersymmetrischen Teilchen (LSP) liefert SUSY einen Kandidaten für die dunkle Materie. Zudem treffen sich die schwache, starke und elektromagnetische Kraft, nach der Vorhersage des Standardmodells, bei sehr hohen Energien nicht in einem Punkt und vereinen sich nicht zu einer einzigen Kraft. Nach den Vorhersagen der Supersymmetrie würden sich die drei Kräfte hingegen in einem Punkt vereinen.



Supersymmetrie Quelle: DESY


Vorhersagen Standardmodell / SUSY zur Vereinheitlichung der Kräfte








Das LHC-Projekt

Der Large Hadron Collider (zu Deutsch; Grosser Hadronen-Speicherring) ist ein knapp 27 Kilometer langer Teilchenbeschleuniger des europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf in der Schweiz. Der LHC beschleunigt Hadronen (wie z.B. Protonen) auf Beinahe-Lichtgeschwindigkeit und bringt diese an vier Stellen zum Zusammenstoss. An diesen vier Kollisionspunkten befinden sich Detektoren (ATLAS, CMS, LHCb, ALICE, TOTEM, LHCf), um die Wechselwirkungen der entstehenden Teilchenschauer zu untersuchen.
Offizieller Beginn des LHC-Projekts war im Jahr 1984. Der LHC-Speicherring wurde in dem ca. 27 Kilometer langen Tunnel errichtet, in welchem sich bis zum Jahr 2000 der Beschleuniger LEP (Large Electron-Positron Collider) befand. Der Tunnel verläuft unter der schweizer-französischen Grenze in einer Tiefe von 50 bis 175 Metern, wobei sich der Grossteil der Anlage auf französischem Staatsgebiet befindet.


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LHC-Speicherring Quelle: CERN


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Die Lage des LHC-Speicherringes (roter Kreis) Quelle: CERN


Animation LHC Quelle: CERN



Protonenmodus und Blei-Ionen-Modus

Im LHC werden Teilchen im und gegen den Uhrzeigersinn beschleunigt. Der LHC wurde dabei für drei Betriebsmoden ausgelegt. Zum einen können einfach, positiv geladene Protonen (p+) und zum anderen 82-fach positiv geladene Bleiionen (Pb82+) beschleunigt werden. Eine Protonenfüllung besteht dabei aus 2808 Protonenpaketen (115 Milliarden Protonen pro Paket), eine Füllung mit Bleiionen aus 592 Paketen (70 Millionen Ionen pro Paket). Die Teilchenpakete werden, je nach Experiment, am Kollisionspunkt auf bis zu 16 µm im Durchmesser (Durchmesser eines menschlichen Haares: 50 µm) und einer Länge von 8 cm fokussiert. Dabei kommt es im Schnitt zu 20 Kollisionen, pro Kreuzung zweier Teilchenpakete. Mit einer maximalen Beschleunigung der Protonen auf 7 Billionen Elektronenvolt und 2.76 Billionen Elektronenvolt der Blei-Ionen wird der LHC für eine lange Zeit der leistungsfähigste Teilchenbeschleuniger der Welt sein. Die Kollisionsenergie wird durch die Schwerpunktenergie angegeben. Dabei verdoppelt sich die Energie der einzelnen Teilchenstrahlen. Eine weitere Option sind Kollisionen zwischen Protonen und Bleiionen.


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Links: Wasserstoffatom / Rechts: Bleiatom
Der LHC benötigt geladene Teilchen, deshalb werden die Elektronen entfernt (gestrippt). Übrig bleibt ein einfach, positiv
geladener Wasserstoffkern und ein 82-fach, positiv geladener Bleikern.



Energie des Teilchenstrahls

Je höher die Protonen und Bleikerne beschleunigt werden, umso grösser wird ihre kinetische Energie und umso mehr neue Teilchen entstehen bei ihrer Kollision. Diese Beziehung wird ausgedrückt durch Einsteins berühmte Formel E=mc2. Die Energie des Teilchenstrahls wird in Elektronenvolt, abgekürt eV, angegeben. Ein Elektronenvolt ist die Energie, die ein Proton oder ein Bleiion erhält, wenn es ein elektrisches Feld von 1 Volt im Vakuum durchläuft, dadurch beschleunigt wird und somit kinetische Energie gewinnt. Der LHC wurde ursprünglich für eine Energie von 7 Teraelektronenvolt (7'000'000'000'000 eV) pro Teilchenstrahl ausgelegt. Probleme der Magnete führten dazu, dass vorerst nur ein Betrieb mit 3.5 und 4.0 TeV möglich war. In den nächsten Jahren (2015/2016) soll dieses Problem behoben werden, damit auch 6.5 - 7.0 TeV erreicht werden können.

1 keV = 1 Kiloelektronenvolt = 1'000 Elektronenvolt
1 MeV = 1 Megaelektronenvolt = 1'000'000 Elektronenvolt
1 GeV = 1 Gigaelektronenvolt = 1'000'000'000 Elektronenvolt
1 TeV = 1 Teraelektronenvolt = 1'000'000'000'000 Elektronenvolt


Beschleunigung auf 1 eV



Luminosität

Viele Teilchen entstehen bei einer Teilchenkollision äusserst selten. Deshalb ist es wichtig, dass der LHC möglichst viele Teilchenkollisionen liefern kann. Eines der Leistungsmerkmale des LHC ist seine hohe Luminosität von 1034 cm-2 s-1. Die Luminosität ist ein Mass für die Teilchenstrahldichte in Bezug zur Kollisionsfrequenz. Die Luminosität steigt mit der Zahl der Teilchen pro Teilchenpaket (Bunch), der Häufigkeit (Frequenz), mit der die Teilchenpakete zusammentreffen und dem Kehrwert des Strahlquerschnittes. Wenn sich die Protonen/Bleipakete einmal im LHC-Speicherring befinden und beschleunigt wurden, können keine weiteren Pakete nachgeführt werden. Erreicht der Strahl die angestrebte Energie, wird dieser zuerst fokussiert (Squezze) und dann auf den Interaktionspunkt (IP) ausgerichtet (Adjust) welcher sich im Zentrum der Experimente befindet. Ist der Strahl stabil (Stable Beams) dürfen die Detektoren eingeschaltet werden und können mit der Aufzeichnung der Kollisionen beginnen. Durch die Kollisionen nimmt die Zahl der Teilchen im Ring und damit auch die Luminosität stetig ab. Die Laufdauer eines solchen Run's liegt optimal zwischen 12 und 25 Stunden.

Obwohl sich der LHC unter der Erde befindet, können nicht alle Umwelteinflüsse ausgeschlossen werden. Durch die Schwerkraftveränderungen des Mondes und der Sonne, welche auch für Ebbe und Flut verantwortlich sind, wird auch der LHC-Tunnel geringfügig deformiert. Um diese geringfügigen Veränderungen zu kompensieren werden in regelmässigen Abständen Korrekturmagnete aktiviert, um den Strahl wieder auf seine optimale Flugbahn auszurichten.


Kontinuierliche Abnahme der Luminosität und Korrekturmassnahmen (rote Pfeile) Quelle: CERN



Magnetstrukturen

Um die Leistung des LHCs zu erreichen, mussten unzählige neue Technologien eingesetzt werden. Die wichtigste Komponente stellt dabei die Beschleunigung und Kontrolle der Teilchen mittels supraleitenden Magneten dar. Dafür musste das weltgrösste Kühlsystem errichtet werden, das durch rund 140 Tonnen flüssiges Helium gespeist wird. Nur durch diese supraleitfähigen Strukturen konnte das LHC-Projekt in einem finanziell vertretbaren Rahmen überhaupt erst realisiert werden. Würden normalleitende Magnete eingesetzt, so müsste der Ring bei gleicher Leistung einen Umfang von mindestens 120 km haben und würde ca. 40-mal mehr Strom verbrauchen. Im gesamten LHC-Komplex kommen ca. 10000 Magnete und über 50 verschiedene Magnettypen zum Einsatz.


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Supraleitender Dipolmagnet Quelle: CERN


Energieverbrauch

Der Energieverbrauch des gesamten LHC-Projekts liegt bei ca. 1000 Gigawattstunden, was rund einem Zehntel des Energieverbrauchs des Kanton Genf mit 450000 Einwohnern entspricht. Da die Strompreise aufgrund des erhöhten Heiz- und Lichtbedarfs der Bevölkerung im Winter erheblich höher ausfallen als im Sommer, wird der LHC-Betrieb während dieser Zeit üblicherweise eingestellt. Dieser jährliche Wintershutdown dauert jeweils von November bis Mai.



Datenverarbeitung


Eine weitere technische Höchstleistung wurde durch das Worldwide LHC Computing Grid (WLCG) realisiert. Durch die Detektion der Teilchenschauer wird pro Jahr eine Datenmenge von 15 Petabytes (=15 Millionen Gigabytes) generiert. Durch die Vernetzung von tausenden Computern wird das WLCG diese anfallenden Datenmengen speichern, verwalten und miteinander verarbeiten können.



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Computerfarm des Computerzentrums von CERN Quelle: CERN